Partizipation in Familienzentren stärken

Autorin: Rajni Kerber

Menschen zu ermöglichen ihr Lebensumfeld mitzugestalten und an Entscheidungen teilhaben zu lassen – das ist in der Praxis leichter gesagt als getan. Doch warum sollte Partizipation möglich gemacht werden? Wie kann eine gute Beteiligung aller gelingen und welche Rolle spielen Familienzentren und Mehrgenerationenhäuser in diesem Zusammenhang? Dieser Beitrag gibt Impulse zur Beantwortung der Fragen, warum Beteiligungsprozesse in Familienzentren besonders wichtig sind und wie diese in der alltäglichen Arbeit gelingen können. 

Partizipation in der Gesundheitsförderung

Partizipation – eines der zwölf Good Practice-Kriterien des Kooperationsverbundes für Gesundheitliche Chancengleichheit und somit ein wesentliches Qualitätskriterium der soziallagenbezogenen Gesundheitsförderung – umfasst alle Aktivitäten von Bürgerinnen und Bürgern in allen Bereichen der Gesellschaft. Die Grundannahme der Partizipation ist, dass Menschen Expertinnen und Experten ihrer eigenen Lebenswelt sind und bei der Gestaltung dieser mit ihren Erfahrungen, Kompetenzen und Wünschen aktiv eingebunden werden (vgl. Wright, 2010). Mit verschiedenen Beteiligungsformaten sollen Praktikerinnen und Praktiker, vor allem Menschen, die besonders von gesundheitlicher Ungleichheit (sozialbenachteiligte Kinder- und Jugendliche, Familien, Menschen mit Migrationshintergrund und/oder Fluchterfahrung, Erwerbslose, Ältere etc.) betroffen sind, erreicht und an den Gestaltungsprozessen in ihrer Kommune beteiligt werden.

Stufenmodell Partizipation_Wright2010

Als zentrales Prinzip der Ottawa Charta wird die Partizipation als ein wesentliches Kapital unserer Gesellschaft gesehen, um „[…] allen Menschen ein höheres Maß an Selbstbestimmung über ihre Gesundheit zu ermöglichen und sie damit zur Stärkung ihrer Gesundheit zu befähigen. […] (Ottawa Charta, 1986).“
Autonomie und Ermächtigung sind somit Kernmerkmale der Gesundheitsförderung und fördern die Entscheidungsmacht bei allen wesentlichen Fragen der Lebensgestaltung (vgl. Ottawa Charta, 1986).

Denn je mehr Einfluss auf Entscheidungsprozesse von Bürgerinnen und Bürgern genommen wird, desto größer ist die eigene Partizipation (vgl. Wright, 2010).

Partizipation wird in unterschiedliche Stufen differenziert. Nach den Partizipationsstufen von Wright et al. (2010) werden unter Partizipation Mitbestimmung, teilweise Entscheidungskompetenz und Entscheidungsmacht verstanden.

  • Mitbestimmung bedeutet, dass Entscheidungsträger Rücksprache mit der sogenannten Dialoggruppe halten und mit ihnen einen offenen Diskurs führen. [Als Dialoggruppe werden jene Menschen bezeichnet, deren Gesundheit gestärkt werden soll.] Damit erfolgt auf dieser Stufe der Partizipation ein Meinungsaustausch zwischen dem Entscheidungsträger und den Bürgerinnen und Bürgern, die jedoch keine verbindliche Entscheidungsbefugnis haben.
  • Die teilweise Entscheidungskompetenz impliziert, dass verschiedene Dialoggruppen bestimmte Aspekte bei Maßnahmen mitbestimmen können. Die Verantwortung über die Maßnahmen liegt jedoch weiterhin bei den Entscheidungsträgern, z. B. bei Fachkräften.
  • Bei der Entscheidungsmacht geht es darum, dass die Dialoggruppe selbstbestimmt Entscheidungen treffen kann, aber eine partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen den Beteiligten besteht und die Dialoggruppe fachlich unterstützt und begleitet wird (vgl. Wright, 2010).

Partizipation wird nicht durch bloße Teilnahme oder Anhörung der Personen erreicht. Sie wird dann erzielt, wenn Personen an Prozessen, unter den oben beschriebenen Bedingungen, teilhaben. 

Hessische Familienzentren als besondere Lebenswelt für Entscheidungsprozesse

Familienzentren und Mehrgenerationenhäuser sind wichtige Anlaufstellen in der Kommune. Sie sind Orte für Begegnung, Bildung, Beratung, Betreuung und Unterstützung aller Altersklassen und Personengruppen. Als eine Lebenswelt im kommunalen Raum nehmen Familienzentren eine aktive Rolle im Lebensumfeld von Familien und Bürgerinnen und Bürgern, den sog. Dialoggruppen, ein und unterstützen die Gestaltung im Alltag. Sie stellen die Belange und Bedürfnisse von Menschen in den Mittelpunkt und richten ihre Angebotsstruktur bedarfsgerecht, unter Einbezug sozialräumlicher Faktoren, partizipativ aus (vgl. Kobelt Neuhaus, 2018).

Seit 2011 werden Familienzentren und Mehrgenerationenhäuser [im folgenden Text wird der Begriff Familienzentren inklusiv für Mehrgenerationenhäuser verwendet] in Hessen vom Hessischen Ministerium für Soziales und Integration gefördert. Mit der flächendeckenden Förderung wird laut der Landesregierung „[…] ein aktivierendes, regionales Angebot für die Familien in Hessen. […]“ (HMSI, 2018) umgesetzt. Insbesondere für die Erreichbarkeit und Ansprache von sozialbenachteiligten Personen und Gruppen sind Familienzentren niedrigschwellige Gestaltungsorte mit einer guten sozialräumlichen Vernetzungsstruktur. Geprägt durch eine offene, vorurteilsbewusste, kultursensible und ressourcenorientierte Haltung arbeiten Familienzentren partnerschaftlich mit den Dialoggruppen zusammen. Das Leistungsspektrum von Familienzentren umfasst hochwertige Gesundheitsförderungs-, Bildungs-, Sport- und Freizeitangebote wie z. B.:

  • Offene Treffmöglichkeiten/Familiencafés
  • Familienbildungsangebote
  • Beratungsangebote zu verschiedenen Alltagsthemen
  • Kurse
  • Nachbarschaftshilfen etc.

Darüber hinaus bieten Familienzentren den Bürgerinnen und Bürgern Orientierung über bestehende Hilfs- und Unterstützungsangebote im Sozialraum. Um vor allem sozialbenachteiligte Personengruppen bei der Teilnahme der Maßnahmen zu unterstützen, werden die Angebote kostenfrei bzw. kostengünstig zur Verfügung gestellt.

Um die Nutzung, Akzeptanz und Nachhaltigkeit der Angebote in einem Familienzentrum zu fördern beziehungsweise positiv zu beeinflussen, ist Partizipation ein Grundprinzip der Arbeit vor Ort. Mitarbeitende in Familienzentren verfügen aufgrund ihrer oft langjährigen Erfahrung über umfangreiche Expertise im Umgang mit vielfältigen Bedürfnissen und Bedarfen von Familien, insbesondere derjenigen, die sich in schwierigen, sozialen Lebenslagen befinden. Hierfür sind eine hohe Empathie sowie eine wertschätzende Haltung in der täglichen Arbeit mit den Dialoggruppen erforderlich. Der Fokus von Familienzentren liegt auf der Förderung und Stärkung der Potentiale und Ressourcen von Bürgerinnen und Bürgern. Sie sind daher zentrale Lebenswelten, um partizipative Prozesse in der Kommune umzusetzen. 

Familienzentren als Brücke zwischen Dialoggruppe und Kommunalpolitik

Das Setting Familienzentrum zeichnet sich durch eine partnerschaftliche Zusammenarbeit von Dialoggruppen und Kooperationspartnern aus. Hier werden die Bürgerinnen und Bürger als Expertinnen und Experten ihrer eigenen Lebenswelt verstanden, die durch eine aktive Beteiligung und Mitbestimmung die Angebote wirkungsvoller und nachhaltiger gestalten. Ein Mehrwert bei der Umsetzung von partizipativen Prozessen ist, dass die Lebenswelt-Expertinnen und -Experten befähigt werden ihre eigenen Stärken und Ressourcen zu nutzen und ihre Selbstbestimmungsmöglichkeiten zu erweitern. Eine aktive Einbindung in Diskussions- und Entscheidungsprozesse erhöht die Handlungsspielräume der Bürgerinnen und Bürger auch in anderen Bereichen der Gesellschaft und sie werden nachhaltig gestärkt (Empowerment).

Ein weiterer Mehrwert für ein Familienzentrum besteht unter anderem darin, von den Erfahrungen und Kompetenzen der Dialoggruppen zu lernen und diese für eine bedarfsorientierte Perspektive auf die Angebote zu nutzen. Dabei ist es besonders wichtig die Perspektiven und Bedarfe von schwer erreichbaren Zielgruppen zu erfahren. Hierbei können sogenannte „Schlüsselpersonen“ den Zugang zu den Zielgruppen erhöhen. Auch der sozialpädagogische Peergroup-Education Ansatz „Gleiche beeinflussen einander positiv“ (vgl. Backes, Schönbach et al., 2001) kann hier mit den Ansätzen der Gesundheitsförderung wirkungsorientiert verknüpft werden und trägt zur Entwicklung von Entscheidungsprozessen bei sozialbenachteiligten Menschen bei.

Durch das positive Erleben von Mitgestaltung und Eigenverantwortung (Selbstwirksamkeit) werden die Bürgerinnen und Bürger nachhaltig in Familienzentren eingebunden und lernen ihre Wünsche und Bedürfnisse zu benennen sowie dafür einzustehen. Von der Teilnahme bis hin zur Entwicklung selbstorganisierter Gruppen und Netzwerke, die den Aufbau sozialer Beziehungen und die soziale Teilhabe stärken, können neue Angebote im Sozialraum bedarfsgerecht erschlossen und Nachbarschaft- und Selbsthilfearbeit unterstützt werden.

Nicht nur in den einzelnen Settings wie in Familienzentren, Kitas, Quartiersbüros etc. wird Partizipation als wesentliches Merkmal der Zusammenarbeit diskutiert, sondern auch im Rahmen kommunaler Gestaltungsprozesse. Durch die Einbeziehung von Bürgerinnen und Bürgern bei kommunalen Entscheidungen z. B. bei der Stadt- und Quartiersgestaltung, können wichtige Impulse über bestehende Bedarfe, Bedürfnisse und Ideen weiter an die Kommunalpolitik getragen werden. Hier stellen gerade Familienzentren eine Art „Brückeninstanz“ zwischen der Dialoggruppe, den Stakeholdern und der Kommune dar. Sie übernehmen eine wichtige Funktion als Vermittler und Übersetzer und bieten eine Anwaltschaft für Vielfalt und Chancengleichheit für sozialbenachteiligte Menschen (vgl. Wright, 2010). 

Strukturelle und finanzielle Rahmenbedingunge

Damit Partizipation sowohl auf der Verhaltens- als auch auf der Verhältnisebene gelingen kann, braucht es strukturelle und finanzielle Rahmenbedingungen in Familienzentren.

Mit der Einführung des Präventionsgesetzes 2015 wurde ein gesetzlicher Rahmen für Partizipation in der Gesundheitsförderung geschaffen und als zentrales Schlüsselprinzip gefordert. Neben dem Präventionsgesetz wird auch in den Good Practice-Kriterien des Kooperationsverbundes Gesundheitliche Chancengleichheit sowie im GKV-Leitfaden ein partizipatives Vorgehen zur nachhaltigen Qualitätsentwicklung von Gesundheitsangeboten empfohlen. Damit die Umsetzung von Partizipation nicht nur auf der Zielgruppenebene erfolgt, braucht es ein abgestimmtes Vorgehen auf Augenhöhe, ein beidseitiges Verständnis von Beteiligungsprozessen und Vereinbarungen im Umgang mit Fachkräften, Förderern sowie Kommunalpolitikerinnen und –politikern. Diese Voraussetzungen sind besonders wichtig, wenn es um eine nachhaltige Veränderung der Rahmenbedingungen für Partizipation geht.

Fehlende Rahmenbedingungen, wie strukturelle und finanzielle Ressourcen, hemmen die Umsetzung von Beteiligungsprozessen in Familienzentren. Um diverse Beteiligungsmöglichkeiten für Familien zu ermöglichen, braucht es eine Angebotsvielfalt und organisatorische Flexibilität in Familienzentren. Um diese qualitätsvolle Arbeit leisten zu können, benötigen Familienzentren bedarfsgerechte finanzielle, personelle und zeitliche Ressourcen.

Umsetzung von Partizipation in Familienzentren

Partizipation ist primär eine Haltungsfrage und sollte ganzheitlich betrachtet werden. Durch eine offene Haltung, wertschätzende Kommunikation sowie gute Beziehungs- und Vertrauensarbeit können bereits alltägliche Arbeitsprozesse in Familienzentren partizipativ gestaltet werden und gelingen. Somit nehmen Mitarbeitende in Familienzentren einen entscheidenden Einfluss auf den Umfang der Anwendung von Beteiligungsformaten sowie auf die qualitative Gestaltung. Hierfür brauchen Familienzentren Organisationsentwicklungsprozesse und hochwertige Schulungen, um ein gemeinsames Verständnis für die Umsetzung von partizipativen Prozessen sowohl im Team als auch mit den Zielgruppen und Stakeholdern zu entwickeln. Um eine nachhaltige Partizipationskultur in Familienzentren zu etablieren, können Arbeitsprinzipien genutzt werden, wie z. B. wertschätzender Umgang, Willkommenskultur, dialogische Gesprächsatmosphäre, bedarfsorientiertes Interagieren, Gleichberechtigung und Anerkennung der Stärken und Ressourcen der Familien und Mitarbeitenden (vgl. Tschöpe-Scheffler, 2014).

Ein weiterer wichtiger Gelingensfaktor für Beteiligungsprozesse in Familienzentren ist die kontinuierliche Einbindung von Menschen in allen Prozessphasen der Maßnahmenentwicklung, von der Bedarfserhebung über die Planung bis zur Umsetzung und Bewertung von Angeboten (Kooperationsverbund Gesundheitliche Chancengleichheit, 2017). Dabei gilt grundsätzlich, je mehr Entscheidungsmacht Menschen erhalten, umso höher ist der Grad der Partizipation (vgl. Wright, 2010). Mit dem Einbezug der Lebenswelt-Expertinnen und -Experten in die Prozesse wird ein wesentlicher Beitrag zur Akzeptanz, Wirksamkeit und Nachhaltigkeit von Maßnahmen in Familienzentren geleistet. Auch bei den Mitarbeitenden führen Beteiligungsprozesse zu einer höheren Identifikation mit der Einrichtung sowie mit bestehenden Angeboten. Dabei unterstützen sie eine ganzheitliche Partizipationskultur.

Die Auswahl und Anwendung von partizipativen Methoden sollte fachlich begleitet werden und immer in Absprache mit den Dialoggruppen erfolgen (vgl. Wright, 2010). Dabei ist Partizipation als Entwicklungsprozess zu verstehen und anhand der vorherrschenden Praxis- und Lebensbedingungen der Zielgruppen unterschiedlich realisierbar.

In Hessischen Familienzentren finden bereits verschiedene partizipative Methoden mit unterschiedlichen Zielgruppen Anwendung. Im Folgenden werden einige benannt:

  • Offener Treff
  • Plenum
  • Zukunftswerkstätten
  • Stadtteilkonferenzen
  • Kinder im Morgenkreis mitbestimmen lassen
  • Befragungen von Besucherinnen und Besuchern
  • Sozialraumanalyse
  • Teiloffenes Konzept (frei wählbare Spielbereiche/Räume)
  • Runde Tische mit Familien- und Bürgerbeteiligung
  • Stadtteil- und Quartiersbegehung
  • etc.

Bei der Umsetzung von Partizipation in Familienzentren können darüber hinaus noch weitere Methoden Anwendung finden, wie z. B.:

  • Brainwalking
  • Photovoice
  • Interviews nach Appreciative Inquiry
  • Gruppendiskussion
  • Card Sorting
  • etc.

Die aufgezählten, partizipativen Methoden werden in die bestehenden Angebote der Hessischen Familienzentren integriert.

Partizipation in der Netzwerkarbeit von Familienzentren

Für die Erreichbarkeit und bedarfsgerechte Unterstützung der Zielgruppen, benötigen Familienzentren ein tragfähiges Netzwerk mit starken Kooperationspartnern aus der Kommunalpolitik, aus unterschiedlichen Fachbereichen und Interessensvertretungen (vgl. Rietmann, 2009).

Familienzentren sind selbst wichtige Kooperationspartner im Setting und interagieren mit vielen Akteuren in verschiedenen Gremien und Netzwerken. Hierbei werden auf unterschiedlichen Ebenen Bedarfe formuliert, die es bei demokratischen Entscheidungsprozessen zu berücksichtigen gilt. Um die Herausforderungen der Einbeziehung verschiedener Partner von Familienzentren zu veranschaulichen, ist es sinnvoll Kategorien zu bilden.

In Anlehnung an die Ausführungen von Prof. Knauer et al. und die Fach- und Fördergrundsätze der Hessischen Familienzentren ergeben sich drei wesentliche Gruppen, die es bei Entscheidungsprozessen zu berücksichtigen gilt. So wird unterschieden in:

  • Familien, Bürgerinnen und Bürger als primäre Dialoggruppe
  • Fachkräfte unterschiedlicher Professionen innerhalb der Familienzentren (Mitarbeitende)
  • und Kooperationspartner im Sozialraum.

Familien, Bürgerinnen und Bürger sind „primäre Dialoggruppen“ in Hessischen Familienzentren. Die Förderung der Gesundheit und der sozialen Teilhabe aller Menschen von 0-99 Jahren sind zentrale Aufgaben. Mit einem generationsübergreifenden Ansatz werden alle Personen und Gruppen im Sozialraum gestärkt und befähigt. Sie sind daher zentrale Akteure, wenn es um die Einbeziehung von Entscheidungsprozessen in Familienzentren geht und werden als Expertinnen und Experten ihrer eigenen Gesundheit verstanden.

In Familienzentren arbeiten verschiedene Fachkräfte und Mitarbeitende unterschiedlicher Professionen zusammen und entwickeln gemeinschaftlich Beratungs- und Unterstützungsangebote. Um die primären Dialoggruppen bedarfsgerecht einbeziehen zu können, bedarf es eines einheitlichen Gesamtverständnisses über Partizipation sowie Erfahrungen im Umgang mit Methoden. Für die Motivation und erfolgreiche Umsetzung der täglichen Arbeit ist es wichtig die Bedarfe von Mitarbeitenden in Arbeitsprozesse nicht nur einzubeziehen, sondern auch Entscheidungsmacht zu teilen. Das Aushandeln verbindlicher Entscheidungsbefugnisse einzelner Fachkräfte sollte durch eine erfahrene Leitung koordiniert werden. Hierfür benötigen Familienzentren besonders zeitliche und personelle Ressourcen.

Die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit verschiedenen Kooperationspartnern im Sozialraum ist eine weitere Aufgabe von Familienzentren. In diversen Arbeitsgremien und Netzwerken arbeiten Familienzentren mit Akteuren aus der Kinder- und Jugendhilfe, dem Gesundheitswesen, der Gemeinwesenarbeit, öffentlichen und privaten Trägern sowie der Kommunalpolitik zusammen. Für erfolgreiche Beteiligungsprozesse in der Zusammenarbeit bedarf es Offenheit und Transparenz über die bestehenden Angebote im Sozialraum, eine verbindliche Vereinbarung über Arbeitsprozesse und die Einbeziehung rechtlicher Rahmenbedingungen. Eine gelingende Partizipation erfordert eine Kooperation auf Augenhöhe und sollte von Beginn an in alle Prozesse integriert sein z. B. bei Förderantragstellungen.

Trotz Einbeziehung aller Partner in die Arbeit und Ausrichtung von Familienzentren steht an erster Stelle der gesetzliche Unterstützungsauftrag von Familien und Menschen im Sozialraum. Zum nachhaltigen Gelingen von allen Beteiligungsprozessen in Familienzentren braucht es eine gute Koordination und partizipative Grundhaltung. Diese und weitere genannte Anforderungen stellen Familienzentren vor eine komplexe Herausforderung in der praktischen Umsetzung ihrer gesellschaftlichen Aufgabe.

Fazit

Eine partizipative Zusammenarbeit zwischen Dialoggruppen, Fachkräften und Mitarbeitenden sowie Kooperationspartnern in der Lebenswelt Familienzentrum zu realisieren, birgt Herausforderungen, die es zu beachten gilt und bedarf förderlicher Rahmenbedingungen wie z. B. eine gute personelle und finanzielle Ressourcenausstattung. Familienzentren nehmen eine zentrale Rolle bei der Umsetzung von Beteiligungsprozessen in der Kommune ein und leisten somit einen wesentlichen Beitrag zur Qualitätsentwicklung von Gesundheitsangeboten. Mit der Bereitstellung von vielseitigen und individuellen Möglichkeiten zur Mitgestaltung können vor allem sozialbenachteiligte Menschen in ihrer Praxiskompetenz empowert werden und selbstbestimmter ihr Lebensumfeld mitgestalten. Im Rahmen der Diskussion um Armutsfolgen leisten Familienzentren mit ihren partizipativen Angeboten und ihrer Arbeit einen entscheidenden Beitrag zur Chancengerechtigkeit und fördern den Abbau gesundheitlicher Ungleichheiten.

Dieser Beitrag wurde am 08. April 2020 auf inforo – dem online Portal für Fachkräfte – veröffentlicht und ist für registrierte Mitglieder kostenlos abrufbar unter: https://www.inforo.online/post/show/partizipation-in-familienzentren-starken.


  • Quellen
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    • GKV-Spitzenverband: Leitfaden Prävention – Handlungsfelder und Kriterien nach § 20 Abs. 2 SGB V zur Umsetzung der §§ 20, 20a und 20b SGB V vom 21. Juni 2000 in der Fassung vom 1. Oktober 2018. In: gkv-bündniss.de (24.02.2020), URL: https://www.gkv-spitzenverband.de/krankenversicherung/praevention_selbsthilfe_beratung/praevention_und_bgf/leitfaden_praevention/leitfaden_praevention.jsp (abgerufen am 31.03.2020).
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    • Rietmann, Stephan/Hensen, Gregor (Hg.), Werkstattbuch Familienzentren – Methoden für die erfolgreiche Praxis. Wiesbaden: VS Verlag, (2009).
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    • Tschöpe-Scheffler, Sigrid (Hg.), Gute Zusammenarbeit mit Eltern in Kitas. Familienzentren und Jugendhilfe. Qualitätsfragen, pädagogische Haltung und Umsetzung. Opladen: Budrich Verlag, (2014).
    • Wright, Michael T., (Hg.), Partizipative Qualitätsentwicklung in der Gesundheitsförderung und Prävention. Bern: Huber Verlag, (2010).

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