Bericht - Fachtag "Sterben zu Hause im Heim"

am 3. Dezember 2018 im DRK-Seniorenzentrum Fiedlersee, Darmstadt-Arheiligen

Begleitung sterbender Menschen zu Hause im Heim
Eine gute Begleitung und Versorgung sterbender Menschen in stationären Pflegeeinrichtungen wird durch eine entwickelte und gelebte Kultur des Abschieds ermöglicht. Eine gute Abschiedskultur ist schwer nicht im empirischen Sinne messbar, da es hier in erster Linie um die Einstellungen und Haltungen aller Beteiligten geht. Eine gelungene Abschiedskultur wird sich in der Zufriedenheit aller an der Sterbebegleitung beteiligten Personen, positiven Rückmeldungen, auch von außerhalb der Einrichtung, und dem Verhalten der Angehörigen, die sich der Einrichtung auch weiter verbunden fühlen werden, widerspiegeln.

Sterben – ein Thema?

Wir wissen, dass Menschen in stationäre Pflegeeinrichtungen einziehen und dort in der Regel versterben werden. Dennoch fällt es nicht leicht, dass Sterben als Teil des Lebens zu sehen. Ein Gespräch über Sterben und Tod zwischen Pflegekraft und Bewohnern kann nicht erzwungen werden. Es braucht vielmehr einen Raum. Die alltäglichen Arbeitsbelastungen erschweren darüber hinaus das Zustandekommen eines Gespräches. Da in stationären Pflegeeinrichtungen eine Fürsorgepflicht für Bewohnerinnen und Bewohner existiert, beinhaltet dies, dass am Lebensende auch Entscheidungen zum Thema Sterben getroffen werden müssen. In die Entscheidungen selbst fließen neben dem Willen des Bewohners bzw. der Bewohnerin auch der Wunsch der Angehörigen ein. Die Erfahrungen der Pflegenden werden die Entscheidung ebenfalls beeinflussen. Hinzu kommt, dass das Sterben so unterschiedlich ist, wie wir Menschen es auch sind.

Die Begleitung sterbender Menschen und ihrer Angehörigen gehört zu den Aufgaben aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in stationären Pflegeeinrichtungen. Dabei stellen sich viele Fragen zu Faktoren, die sowohl förderlich als auch hinderlich für die Auseinandersetzung mit Fragen des Sterbens sein können: Wie ist die Haltung der Organisation? Wie steht die Einrichtungsleitung zum Thema Sterbebegleitung? Welche organisationalen Strukturen sind für die Begleitung sterbender Bewohnerinnen und Bewohner gegeben? Welche personellen und finanziellen Ressourcen stehen zur Verfügung? Welche Qualifikation haben die Mitarbeitenden und ist sie für die unterschiedlichen Arbeitsbereiche in der Einrichtung differenziert? Gibt es Kooperationen mit anderen Angeboten oder Vereinen, die unterstützen, beraten oder gemeinsam die sterbenden Bewohnerinnen und Bewohner begleiten? Und welchen Rückhalt bekommt eine stationäre Einrichtung durch politische Akteure?

Die Auseinandersetzung mit Fragen des Sterbens stärken

Derzeit wird das Handeln im Heim durch den Blick auf das Leben dominiert. Der Ausbau von Kurzzeitpflegeplätzen oder Wohnbereichen für demenziell erkrankte Menschen steht im Vordergrund. Die Betreuung der Bewohnerinnen und Bewohner in stationären Pflegeeinrichtungen ist auf aktivierende Pflege und Förderung der Gesundheit ausgerichtet. So scheint es wichtig, sich neu zu justieren. Menschen in stationären Einrichtungen sind hier zu Hause. In meinem Zuhause kann ich bestimmen. Wie ist es aber in stationären Einrichtungen? Der Wille des Bewohners steht auch hier im Zentrum. Daran sollten sich die Prozesse ausrichten.

Sterben und Tod als Themen müssen weiter aktiv in den Alltag integriert und Berührungsängste abgebaut werden. Hilfreich sind „Kümmerer“ in den Einrichtungen, die die Dinge nicht alle selbst erledigen müssen und sollen. Fragen und Probleme aber sollen sie in die Hand nehmen und sich für eine Lösung einsetzen, d. h. sich kümmern. Dabei darf das Sterben nicht gegen das Leben ausgespielt werden, sondern es sollte vielmehr gutes Sterben in gutes Leben integriert werden. Die Vorstellung eines guten Sterbens im Heim orientiert sich an den gesellschaftlichen Vorgaben eines würdevollen und selbstbestimmten Sterbens. Die Einrichtungen sind mit dem gesellschaftlichen Wandel konfrontiert und werden durch diese Bedingungen gefordert.

Gesetzliche Festschreibungen und sonstige Hilfen

Vor drei Jahren, im Dezember 2015, trat das Hospiz- und Palliativgesetz in Kraft. Es beinhaltet verschiedene Ansätze zur Verbesserung der Begleitung und Versorgung sterbender Menschen. Die Umsetzung des Gesetzes dauert an und so liegt erst Ende 2017 die Vereinbarung nach § 132g Abs. 3 SGB V über Inhalte und Anforderungen der gesundheitlichen Versorgungsplanung für die letzte Lebensphase vom 13.12.2017 vor. Es ist ein Angebot für Menschen in stationären Pflegeeinrichtungen, aber nicht für diejenigen in der Kurzzeitpflege, nicht für Menschen im stationären Hospiz und nicht für Menschen mit einer privaten Krankenversicherung.

Was wünschen sich Menschen am Lebensende? Wie möchten sie sterben? Wenn wir sie nicht mehr fragen können, ist es für uns wichtig, dennoch zu wissen, was sie wollen. Eine Patientenverfügung ist hierfür hilfreich, um den mutmaßlichen Willen zu erforschen. Diese muss dann aber auch im Bedarfsfall erreichbar sein. Eine Aufbewahrung in Nähe der Bewohner, nicht hinter verschlossenen Türen, trägt dazu bei, dass Vorausverfügtes auch berücksichtigt und in Entscheidungen einbezogen werden kann. Und es darf auch nicht vergessen werden, die Patientenverfügung immer wieder zu aktualisieren bzw. zu bestätigen, denn Wünsche können sich verändern! Den Willen des Menschen zu erfragen und wiederholt ins Gespräch zu kommen, das sind und bleiben die großen Herausforderungen.

Zentrales Anliegen der Hospiz- und Palliativbewegung ist es, jedem Menschen ein Sterben in vertrauter, selbstgewählter Umgebung zu ermöglichen. Das bedeutet heute mehr denn je, den Wünschen, Ängsten und Sorgen sterbender Menschen Rechnung zu tragen und jede Fremdbestimmung durch gesellschaftlichen Druck und institutionelle Strukturen zu vermeiden.

In der Hospiz- und Palliativbewegung engagieren sich Menschen und bringen diese Fragestellungen in die öffentliche Diskussion. Durch die hospizliche psychosoziale Begleitung, palliativpflegerische und – medizinische Beratung und Versorgung, die Begleitung trauernder Angehöriger kann die Begleitung sterbender Menschen verbessert werden. Um als sterbender Mensch seine Wünsche für das Lebensende äußern zu können, muss er sprachfähig sein. Darum ist es der Hospiz- und Palliativbewegung ein zentrales Anliegen, das Thema in die Öffentlichkeit zu bringen.

Eine hospizliche Haltung versteht sich daher weniger als festes Konzept, sondern eher als eine Grundhaltung. Die Hospizarbeit zeichnet sich darin aus, dass eine Koordinationskraft ehrenamtliche Sterbebegleiter koordiniert und den Kontakt zu sterbenden Menschen herstellt. Ehrenamtliche Sterbebegleitung umfasst dann: Zeit zu haben, da zu sein, zuzuhören und das Umfeld zu entlasten und zu beraten. Durch diese psychosoziale Begleitung möchte die Hospizarbeit dafür sorgen, dass auf Bedürfnisse, Ängste und Sorgen sterbender Menschen eingegangen werden kann. Durch die Hospiz- und Palliativnetze bestehen eine Vielzahl von Kontakten, die für eine gute Begleitung sterbender Menschen genutzt werden kann.

Der Fachtag endete mit einer Diskussion über folgende Themen:

  • Wo gibt es Netzwerke und wie funktionieren Hospiz- und Palliativnetzwerke?
  • Welche Akteure sollten in einem Netzwerk vertreten sein?
  • Kann eine Telefonservice-Nummer eingerichtet werden? Eine Zentrale, in der eine Person mit Kenntnissen der Palliativmedizin / Palliative Care erreichbar ist?
  • Die Medikamentenverordnung sollte verändert werden, so dass entsprechende Medikamente in den Einrichtungen auch vorhanden sind.
  • In Hessen sollte es einen Palliative Care Beauftragten geben, sowohl auf Landesebene als auch auf Ebene der Landkreise.
  • Inhouse-Schulungen in den stationären Einrichtungen können zur Verbesserung der Sterbebegleitung beitragen.

Das Hessische Ministerium für Soziales und Integration, Referat Koordinierung Sterbebegleitung wird die Anregungen aufnehmen und prüfen. Im Jahr 2019 ist geplant, die Empfehlungen zur Verbesserung der Sterbebegleitung in stationären Pflegeeinrichtungen aktualisiert herauszugeben. Ebenfalls wird das Konzept der Landesregierung zur Verbesserung der Sterbebegleitung überarbeitet. In beide Broschüren werden die Ergebnisse und Erkenntnisse des Tages einfließen.

An der Veranstaltung haben 100 Personen aus unterschiedlichen Arbeitsgebieten teilgenommen. Unser besonderer Dank gilt dem Einrichtungsleiter des DRK-Seniorenzentrum Fiedlersee in Darmstadt-Arheiligen, Herrn Beat Hillinger und seinem Team. Hier durften wir unseren Fachtag durchführen und danken für die Organisation vor Ort. Und wir danken allen Referentinnen und Referenten für die Mitgestaltung durch Ihre Vorträge. Die Vorträge stehen als Download zur Verfügung.

Der Fachtag wurde durch das Hessische Ministerium für Soziales und Integration finanziell gefördert.